Von der Schwierigkeit, Nein zu sagen

Sicher kennst Du das, dass Du in manchen Situationen, in denen Du gern Nein sagen würdest, ganz automatisch doch ein JA über Deine Lippen kommt… Hinterher ärgerst Du Dich über Dich selbst. Doch schon beim nächsten Mal passiert es wieder, obwohl Du Dir fest vorgenommen hattest, dieses Mal standfest zu bleiben! Woran liegt es, dass es uns oft so schwerfällt, uns abzugrenzen? Warum sind wir so schnell bereit, unsere Wünsche und Bedürfnisse hinten an zu stellen?

Angst vor Zurückweisung

Es ist ein natürliches Bedürfnis eines jeden Menschen, anerkannt und bestätigt zu werden. Wir möchten unbedingt dazu gehören und geliebt werden. Dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit hat durchaus evolutionäre Gründe, denn früher war das Überleben nur in Gruppen möglich. Daher versuchen wir unbewusst immer noch, die Zuneigung von anderen Menschen nicht zu gefährden und sind dafür bereit, einiges in Kauf zu nehmen.

Wunsch nach Anerkennung

Viele Menschen sind davon überzeugt, dass sie umso mehr gemocht werden, je mehr sie die Wünsche und Bedürfnisse von anderen erfüllen. Wir genießen auch das Gefühl, von anderen gebraucht zu werden und die Bestätigung dafür zu bekommen, wenn wir anderen Menschen helfend zur Seite stehen. Viele von uns haben das Helfen sogar zum Beruf gemacht und ziehen ihr Selbstverständnis daraus. Dass andere uns dankbar sind für unsere Hilfe, erfüllt uns nicht selten mit Freude. So setzen wir alles daran, diese Bestätigung von außen weiterhin zu bekommen. Allzu oft sind wir dann ohne Zögern wieder bereit, sofort Ja zu sagen, ohne zu überlegen, ob wir überhaupt die Kapazitäten haben, diese Aufgabe zu übernehmen.

Angst vor Ablehnung

Sehr oft haben wir als Kind bereits die Erfahrung gemacht, dass wir unseren Eltern gehorchen mussten und andernfalls mit Strafen zu rechnen hatten. So haben wir es schon früh gelernt, es anderen recht zu machen. Häufig mussten wir mit dem Entzug von Zuneigung rechnen, wenn wir unartig waren. Wie oben beschrieben, wird dabei eine menschliche Urangst ausgelöst. Für ein kleines Kind ist dies eine sehr beängstigende Situation, da wir in dem Alter von unseren Bezugspersonen abhängig sind, um überhaupt überleben zu können.

So lernen wir bereits sehr früh, dass es negative Konsequenzen hat, wenn wir uns abgrenzen wollen. Daher folgen wir dann nicht unseren eigenen Bedürfnissen und sagen viel zu oft Ja, wenn wir eigentlich Nein meinen. Im Erwachsenenalter haben wir uns dann das Nein sagen bereits abtrainiert und müssen es erst einmal wieder mühsam erlernen.

Befürchtung, als egoistisch zu gelten

Viele Menschen sind schnell mit dem Vorwurf des Egoismus zur Hand, wenn sie ihre Interessen nicht durchsetzen können. Sehr hilfsbereite Menschen lassen sich davon leicht beeindrucken, da sie auf keinen Fall als egoistisch gelten wollen. Dies passt gar nicht zu ihrem Selbstbild. Dabei ist es ein Zeichen für ein gesundes Selbstbewusstsein und auch für Selbstliebe, seine eigenen Interessen gut vertreten zu können. Ein gewisses Maß an Egoismus ist dafür sogar wichtig.

Vielmehr ist es eher so, dass die Menschen, die Dich als Egoist*in bezeichnen, diesen Vorwurf dazu benutzen, um Dich zu manipulieren und ihre eigenen Interessen durchzusetzen, indem sie Dir ein schlechtes Gewissen machen wollen. Daher trifft dieser Vorwurf viel eher auf sie selbst anstatt auf Dich zu.

Angst vor Konflikten

Viele von uns haben die Befürchtung, einen Konflikt herauf zu beschwören, wenn wir Nein sagen. Tatsächlich passiert dies allerdings eher selten. Nur wenige Menschen sind sauer auf Dich, wenn Du ihnen eine Bitte abschlägst. Manche sind vielleicht kurz enttäuscht, aber ein Weltuntergang ist es nicht und sie überlegen sich halt eine andere Lösung.

Wenn Du zu denjenigen gehörst, die Ja sagen, obwohl sie Nein meinen, hast Du vielleicht in der Vergangenheit aber bereits schlechte Erfahrungen damit gemacht. Vielleicht bist Du deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass ein Ja mit zusammengebissenen Zähnen weniger risikoreich ist, als ein klares Nein. Wir wägen in solchen Situationen unbewusst immer das Konfliktrisiko ab.

Angst vor Schuldgefühlen

Häufig plagt uns das schlechte Gewissen, wenn wir eine Bitte abschlagen. Um diese Schuldgefühle zu vermeiden, übernehmen wir doch lieber die angefragte Aufgabe.

Auch hierfür liegt die Ursache zumeist in unserer Kindheit. Wir lernen dort meistens, dass wir hilfsbereit sein sollen und auf die Bedürfnisse von anderen einzugehen haben. Besonders von Mädchen wird erwartet, selbstlos zu sein, weshalb es gerade Frauen schwerer fällt, sich abzugrenzen. Auch Menschen in helfenden Berufen stellen ihre eigenen Wünsche oft hinten an.

Angst vor Veränderungen

Menschen sind Gewohnheitstiere… Aber nur, weil Du vielleicht in den letzten Jahren zu den notorischen Ja-Sager*innen gehört hast, muss dies ja nicht immer so bleiben! Auch wenn die anderen schon so daran gewöhnt sind, werden sie sich auch daran gewöhnen, wenn Du nicht mehr zu allem uneingeschränkt Ja sagst. Wenn Du dies geschickt kommunizierst, werden die Reaktionen auf diese Veränderung bestimmt nicht so schlimm ausfallen, wie Du es befürchtest. Es gibt schließlich jede Menge Möglichkeiten, ein „Nein“ so zu verpacken, dass Du niemandem vor den Kopf stößt bzw. bloßstellst oder verärgerst – und trotzdem souverän Deinen Standpunkt vertrittst.

Vor- und Nachteile des JA- und NEIN-Sagens

Um nun noch einmal zusammenzufassen, was für Vor- und Nachteile es Dir bringt, wenn Du Ja bzw. Nein sagst, lässt sich folgendes sagen:

  • Den Bitten nachzukommen, bedeutet im positiven Fall, dass
  • Du das Gefühl hast, mehr gemocht zu werden,
  • Du ein schlechtes Gewissen vermeidest,
  • Du Dich wichtig und gebraucht fühlst,
  • Du Dich als selbstlosen und hilfsbereiten Menschen sehen kannst,
  • Du Anerkennung für Deine Hilfsbereitschaft bekommst.

Zu den Nachteilen des Ja-Sagens hingegen gehört, dass

  • Du die Interessen und Bedürfnisse anderer vor Deine eigenen stellst,
  • Dein Selbstwertgefühl darunter leidet, dass Du Dich nicht für Deine eigenen Interessen einsetzt,
  • Menschen Dich höchstwahrscheinlich sehr oft ausnutzen, da sie wissen, dass Du nicht Nein sagen kannst,
  • Du Deine eigenen Ziele nicht verfolgst,
  • Du in einem Burnout landen kannst, da Du Deine eigenen Kapazitäten nicht überprüfst und Dich daher schnell übernimmst.

Sagst Du hingegen auch einmal Nein,

  • wirst Du von anderen eher respektiert und ernst genommen,
  • hast Du mehr Zeit für Dich, Deine Selbstfürsorge und Deine eigenen Projekte bzw. Ziele,
  • trägt dies mehr zu der Entwicklung Deines Selbstbewusstseins bei.

Aber natürlich hat es auch Nachteile, sich abzugrenzen. Dazu gehört:

  • Manche Menschen können enttäuscht oder verärgert reagieren.
  • Dies kann manchmal auch zu Konflikten führen.
  • Du gehst das Risiko ein, eventuell weniger gemocht zu werden.
  • Du musst Verantwortung für Deine Entscheidungen übernehmen und kannst dies nicht auf andere abwälzen.

Wenn Du die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägst, kannst Du leicht erkennen, dass es sich lohnt, ein halbherziges Ja durch ein klares Nein zu ersetzen.

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  1. Ich sehe mich leider überall identisch, hab für alle gearbeitet und immer funktioniert und immer verzichtet, nun wie komm ich aus diesem Rad raus zum Leben geniessen?

    1. Wenn Du immer nur für andere da warst, nur nicht für Dich selbst, ist es tatsächlich ein längerer Prozess, aber dennoch lohnenswert. Es ist erst einmal wichtig, die eigenen verschütteten Bedürfnisse zu erkennen und sie dann Schritt für Schritt umzusetzen. Am besten ist es, Dir dafür professionelle Hilfe an die Seite zu holen, um die erforderlichen Schritte tatsächlich umzusetzen und „trocken“ einzuüben.

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