Wie in den letzten Blogartikeln bereits mehrfach beschrieben, geht es darum zu lernen, mit dem Team des inneren Kritikers auszukommen, ja vielmehr noch: in einen freundschaftlichen Kontakt zu gehen.
Um dies überhaupt machen zu können – da diese inneren Stimmen ja nicht sehr freundschaftlich mit uns umgehen… -, ist es wichtig zu verstehen, mit wem wir es genau zu tun haben.
Das ganze Team des inneren Kritikers hatte ich Dir ausführlich in einem früheren Blogartikel bereits vorgestellt:
- der Kontrolleur
- der Perfektionist
- der Antreiber
- der Allen-Rechtmacher
- der Be- und Verurteiler
Das verletzte Kind
Wir haben uns auch schon angeschaut, in welchen Entwicklungsphasen jeweils welcher innere Kritiker entstanden ist und was ihre jeweilige wichtige Aufgabe ist.
Heute geht es darum zu verstehen, dass hinter jedem dieser inneren Kritiker eigentlich ein verletztes inneres Kind steckt.
Ja, ich weiß, dass ist auf den ersten Blick kaum zu glauben.
Und dennoch: Es handelt sich um ein kleines inneres Kind, das sich mal sehr ängstlich und hilflos gefühlt hat.
In diesem Anteil sind alle Gefühle, Gedanken und Bilder der damaligen Notsituation abgespeichert.
Das ängstliche innere Kind versucht sich dem von außen Gewünschten anzupassen und denkt, dass es geliebt wird, wenn es nur tut, was die anderen von ihm wollen.
Die Geburt des inneren Kritikers
Dies ist die Geburt des inneren Kritikers – ein aus der Not geborener Lösungsversuch.
Es handelt sich dabei um einen Überlebensmechanismus, der dazu dient, Angst, Scham, Schmerz und auch Verlust von Bindung zu minimieren oder sogar ganz zu vermeiden.
Oder anders ausgedrückt: Der innere Kritiker sorgt dafür, das zu vermeiden, wovor das innere verletzte Kind sich fürchtet.
Auch, wenn uns der innere Kritiker heute so mächtig erscheint, geht es hier doch um zwei innere Kind-Anteile, die aus einer psychischen Notsituation heraus entstanden sind und beide in der Vergangenheit festhängen.
Auf der Spur der guten Absicht
Machen wir uns nun mal neugierig auf die Suche nach der guten Absicht machen, so können wir leicht nachvollziehen, dass die Entstehung des inneren Kritikers aus der Kinderlogik heraus eine gute Idee war. Zumindest damals.
Für das Heute jedoch erscheint uns diese „Lösung“ als sehr hinderlich. Und der Preis erscheint doch auch recht hoch.
Haben wir die gute Absicht dahinter erst einmal verstanden, ist es hilfreich, zu überlegen, wie wir das Gleiche auf sehr viel günstigerem Wege erreichen können, ohne den Vorteil der Wächterfunktion des inneren Kritikers zu verlieren.
Die wichtigste Frage lautet also: Was genau ist die gute Absicht hinter den Vorwürfen und Beschimpfungen der diversen inneren Kritiker?
Aus der Sicht der Beobachterin
Um dies herauszufinden, sollten wir uns in die Position der Beobachterin bzw. des Beobachters begeben, denn aus der kindlichen Position heraus, wird uns das nicht gelingen.
Jedes Kind möchte geliebt und anerkannt werden.
Der innere Kritiker versucht auf verquere Art und Weise genau das zu erreichen.
Das hilflose und ängstliche Kind von damals ist in der Vergangenheit steckengeblieben, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem es die Not erfahren hat.
Es verhält sich heute noch so, wie es sich damals verhalten hat. Auch die Gefühle sind die Gleichen.
Es ist so, als wäre seitdem keine Zeit vergangen.
Das wiederum ruft den inneren Kritiker auf den Plan: Denn die Situation von damals mit Gefühlen von Verlassenheitsangst, Scham, Schuld und Hilflosigkeit soll sich NIE WIEDER wiederholen!!!
Die verschiedenen inneren Kritiker haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um das verletzte innere Kind vor Ablehnung und Verurteilung zu schützen.
Der Perfektionist meint Zurückweisung verhindern zu können, indem er möglichst perfekt ist.
Die Strategie des Allen-Rechtmachers hingegen ist es, die Erwartungen anderer zu erfüllen, um dieses Ziel zu erreichen.
Der Antreiber gönnt sich keine Ruhe und versucht durch Leistung zu gefallen.
Die gute Absicht Deines inneren Kritikers
Welches ist der Lieblingssatz Deines inneren Kritikers? Welchen Satz sagt er meistens zu Dir?
Versuche nun der guten Absicht Deines inneren Kritikers auf die Spur zu kommen.
Wovor scheint Dich der innere Kritiker schützen zu wollen?
Vielleicht fällt Dir auch eine dazugehörige Situation ein, in der der innere Kritiker entstanden sein könnte.
Sei neugierig und gehe auf Spurensuche.
Was kann uns nun in dieser Situation weiterhelfen?
Ich hatte bereits erwähnt, dass es keinen Sinn macht, irgendeinen der inneren Kritiker zu bekämpfen – zumindest nicht, wenn Du weiterkommen möchtest.
Je mehr Du das versuchst, desto mehr Gegenwind wirst Du erhalten. Es lohnt sich also ganz und gar nicht.
Und es wäre auch nicht sinnvoll. Denn schließlich hatten wir bereits festgestellt, dass es sich um einen Überlebensmechanismus handelt.
Diesen können wir nicht einfach entfernen, sondern wir sollten uns gut überlegen, was wir an dessen Stelle setzen könnten.
Innere Kritiker sind wie Kinder, die von den überlebenswichtigen Bezugspersonen abhängig sind.
Sicherheit ist daher ihr oberstes Ziel.
Diese Sicherheit soll mit allen Mitteln gewährleistet werden. Dafür wird alles getan!
Löse Dich aus der Identifikation mit dem inneren Kind
Wir müssen uns aus der Identifikation mit diesen inneren Kindern lösen.
Dies hilft uns in die Erwachsenenperspektive zu wechseln, aus der wir das Problem lösen können.
Wir können uns klarmachen, dass es sich um eine vergangene Situation mit vergangenen Gefühlen handelt.
Wir können uns sagen, dass dies unser wunder Punkt ist aufgrund der Erfahrungen, die wir machen mussten.
Dann können wir in unser erwachsenes Ich von Heute switchen und uns bewusst machen, dass wir als Erwachsene heute andere Möglichkeiten haben, dass wir nicht mehr ausgeliefert sind wie wir es damals waren.
Heute können wir anders damit umgehen!
Wir sollten uns bewusst machen, dass die Angriffe von einem Teil in uns stammen, der uns ursprünglich einmal damit schützen wollte und dass dies heute nicht mehr zielführend ist.
Und wir müssen uns klarmachen, dass es sich um Vergangenes handelt, was mit dem Heute nichts mehr zu tun hat.
Unsere Kindheit lässt sich im Nachhinein nicht mehr verändern. Was sich allerdings verändern lässt, ist unser Blick darauf und damit unsere Bewertung davon.
Es lohnt sich, wertschätzend auf den inneren Kritiker zuzugehen und mit echter Neugier zu erforschen, was genau er mit seinen Tiraden gegen Dich bezweckt.
Nur so hast Du eine Chance, das Team des inneren Kritikers zur Kooperation zu bewegen.
So ist es dann möglich, die Gefühle der Angst und der Hilflosigkeit aus der Vergangenheit mit den Ressourcen aus dem Heute zu verbinden und das damalige Problem aus der Erwachsenen-Perspektive zu lösen.