Weiter geht es mit dem Team unserer inneren Kritiker. Nun wollen wir uns einmal anschauen, wo sie denn alle herkommen.
Bevor wir dies tun, möchte ich noch einmal kurz zusammenfassen, was genau diese inneren Persönlichkeitsanteile sind.
Auch wenn wir das so erleben, ist die menschliche Persönlichkeit dennoch keine Einheit.
Vielmehr ist es so, dass unsere Persönlichkeit aus verschiedenen inneren Anteilen zusammengesetzt ist.
John und Helen Watkins, die die Ego State Therapie begründet haben, nennen sie Ego States, was man als Ich- Zustände übersetzen kann.
Diese inneren Zustände entstehen dadurch, dass wir bestimmte Botschaften oder abgeguckte Verhaltensweisen der wichtigsten Bezugspersonen in unserem Leben übernommen haben.
Sie stehen aber auch im Zusammenhang mit den normalen Entwicklungsphasen, die jeder von uns durchläuft. Dazu komme ich später noch genauer.
Des Weiteren entstehen sie auch durch erlebte Traumata, auf die hier an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden soll, da diese sich von den Ego States ganz normaler neurotischer Menschen wie Du und ich unterscheiden.
Wie kann man sich die inneren Anteile vorstellen?
Die Ego States können bestimmte Eigenschaften verkörpern, wie z.B. kontrollierend, dominierend, eifersüchtig, neidisch, o.ä.
Sie können auch ein bestimmtes Alter haben. Dieses steht im Zusammenhang mit dem Alter, in dem eine bestimmte Erfahrung diesen Anteil hat entstehen lassen.
Manche Ich-Zustände stehen im Zusammenhang mit einer bestimmten Funktion. Dies kann z.B. eine innere Beobachterin sein, ein Helferanteil, eine innere Kritikerin oder auch ein Kontroletti.
Möglicherweise ist es auch ein Anteil, der eine Art „Kern“ in uns repräsentiert: die alte, weise innere Frau, der innere Ratgeber, das spirituelle Zentrum.
Eine kleine Aufgabe für Dich
Nimm Dir ein Blatt zur Hand, male verschiedene Kreise und schreibe darin mal alle Anteile auf, die Dir bewusst sind bzw. jetzt noch so einfallen.
Vielleicht hast Du auch eine Idee davon, wann in Deinem Leben diese Anteile entstanden sind. Dann schreibe das jeweilige Alter dazu.
So hast Du einen Überblick, welche verschiedenen Ich-Zustände in Dir aktiv sind. Dies ist auch eine gute Grundlage, um später mit den verschiedenen Anteilen zu arbeiten.
Das Team der inneren Kritiker
Wir alle kennen diese inneren Stimmen, die uns häufig das Leben schwermachen.
Im letzten Blogartikel hatte ich Dir das ganze Team der inneren Kritiker vorgestellt: der Kontrolleur, der Perfektionist, der Antreiber, der Allen-Rechtmacher und der Be- und Verurteiler.
Alle diese Team-Mitglieder kommentieren und nerven uns häufig mit ihrer Kritik.
An der Art der Botschaften können wir häufig erkennen, wer von ihnen da genau mit uns spricht.
Wodurch entstehen diese inneren Kritiker?
Diese Selbstanteile sind jeweils in bestimmten Entwicklungsphasen entstanden.
Sie haben uns damals darin unterstützt, die Herausforderungen in diesen jeweiligen Lebensphasen zu meistern und die Konflikte zu lösen.
Je stärker die Konflikte mit den Bezugspersonen ausgeprägt waren, desto erbarmungsloser sind diese Ego-States in ihrer Kritik uns gegenüber und umso aggressiver treten sie auf.
Abwertende Äußerungen der Bezugspersonen, die Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühle und Angst auslösen, werden später verinnerlicht und somit zu Selbst-Botschaften umgewandelt.
Aus „Du nervst mich. Keiner mag Dich!“ wird dann „Ich nerve andere. Keiner mag mich!“
Oder „Du hast Dich nicht genug angestrengt. So wirst Du nie etwas erreichen!“ wird „Da ich mich nie genug anstrenge, werde ich nichts erreichen!“
Die Entwicklungsphasen unserer Persönlichkeit
Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson zeigte in seinem Modell der Persönlichkeitsentwicklung verschiedene Entwicklungsstufen auf, in denen jeweils verschiedene Konflikte gelöst werden müssen.
Folgende Entwicklungsthemen stehen in den jeweiligen Phasen an:
- Stufe: Urvertrauen – Misstrauen
Urvertrauen entsteht durch die verlässliche Zuwendung der Bezugsperson, so dass die Fähigkeit der Selbstberuhigung entwickelt werden kann.
Fehlt diese verlässliche Bindung, hat dies Misstrauen zur Folge und Stress kann nicht reguliert werden.
- Stufe: Autonomie – Scham und Zweifel
Diese Entwicklungsphase ist von „festhalten und loslassen“ geprägt.
Im besten Fall entwickelt sich eine gewisse Autonomie.
Erfolgen zu rigide Verbote und Regeln der Bezugspersonen führen diese entweder zu einer gewissen Impulsivität bzw. zur Zwanghaftigkeit.
Gelingt die Meisterung dieser Entwicklungsphase hingegen, können Willenskraft und Selbstbeherrschung entwickelt werden.
Wir können uns leicht vorstellen, dass in dieser Phase der innere Kontrolleur entsteht, der auf Einhaltung der Regeln und Verbote bedacht ist.
Er versucht dadurch, uns vor Scham und Selbstzweifeln zu schützen.
„Reiß Dich zusammen!“ und „Zeige bloß kleine Schwäche!“ gehören zu den Lieblingssätzen dieses Kontrolettis.
- Stufe: Eigeninitiative – Schuldgefühle
In diesem Entwicklungsstadium lernen Kinder die Konsequenzen in Bezug auf die eigenen Handlungen einzuschätzen, indem sie entweder Wertschätzung oder Bestrafung erfahren. Gelingt die Lösung dieses Konfliktes, kann sich Entschlusskraft entwickeln.
Gelingt diese nicht, entsteht das Gefühl perfekt sein zu müssen und keine Fehler machen zu dürfen, um Anerkennung zu bekommen.
Dies ist die Sternstunde des inneren Perfektionisten, der vor Schuldgefühlen schützen möchte.
- Stufe: Leistungsverhalten – Minderwertigkeitsgefühl
In dieser Zeit geht es darum, Leistung zu zeigen und etwas Nützliches in der Welt beizutragen.
Es wird immer wichtiger, sich gegen Konkurrenz zu behaupten und erfolgreich zu sein. Wenn dies gelingt, entsteht Vertrauen in die eigene Kompetenz.
Misslingt dies aber, entstehen die Angst zu versagen und Minderwertigkeitsgefühle.
Dieses Stadium ist prädestiniert für den inneren Antreiber, dem nichts schnell genug geht und der uns zur Eile antreibt.
- Stufe: eigene Identität – Rollendiffusion
Das Hauptthema dieses Stadiums ist die Entwicklung einer eigenen Identität.
Wichtig ist hier, zu einer Gruppe dazu zu gehören und Ausgrenzung zu vermeiden.
Hier kommt der Allen-Rechtmacher zum Zuge, der um jeden Preis vermeiden möchte, abgelehnt zu werden und mit dem Gefühl, nicht liebenswert zu sein, in Kontakt zu kommen. Er vermeidet dadurch um jeden Preis verlassen zu werden.
Auf die weiteren Entwicklungsstadien gehe ich an dieser Stelle nicht ein, da sie nicht im Zusammenhang mit dem Team des inneren Kritikers stehen.
Wichtig zu erwähnen wäre noch der Be- und Verurteiler, der durch die Inbesitznahme der Forderungen der Eltern und der Kultur (sog. Introjekte) entsteht.
Durch den Anspruch, tadellos zu sein, versucht er, vor Kränkungen und Entwertungen von außen zu schützen.
Nun haben wir uns wieder ein ganz schönes Stück unserem inneren Kritiker-Team angenähert.
Indem wir die Entstehung und Motivation jedes Einzelnen verstehen, können wir begreifen, was uns in ein Burnout treibt und noch viel wichtiger: bekommen wir eine Handhabe, wie wir da wieder hinauskommen. Weiter geht es dann im nächsten Blogartikel.