Unsere Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, gehört zu unserem Leben dazu. Doch wenn sich unsere Emotionen in eine extreme Richtung bewegen, dann können sie uns mehr schaden als nützen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn aus Ängstlichkeit Angst entsteht oder Ärger sich in Zorn und dann später in Hass verwandelt. Was kann uns helfen, aus solchen extremen Gefühlszuständen wieder herauszukommen und diese belastenden Emotionen aufzulösen?
Wie viel an Gefühl ist gesund?
Unsere Gefühle zeigen uns den Weg zu unseren Wünschen und Bedürfnissen. Da sie uns darauf hinweisen, was wichtig für uns ist, haben sie daher eine elementare Funktion. Emotionen können auch Warnsignale sein, damit wir nicht in chronischen Stress kommen.
Doch wenn Gefühle zu intensiv werden, besteht die Gefahr, dass wir von ihnen überschwemmt und somit handlungsunfähig werden. Daher ist es hilfreich, zu lernen, die Intensität von Gefühlen herunter zu regulieren, um mit ihnen besser umgehen zu können.
Da stellt sich dann die Frage, ob es so etwas wie ein richtiges Maß an Emotionen gibt? Und auch, woran wir erkennen können, ab wann ein Gefühl zu viel und zu belastend ist. Es macht auch Sinn, ein Übermaß an Gefühl möglichst früh zu erkennen, um auch so bald wie möglich gegensteuern zu können.
Neben der Intensität des Gefühls ist es ebenfalls sehr wichtig herauszufinden, welches das eigentliche Gefühl ist, um das es geht. Sehr häufig kommt es vor, dass die Gefühle, um die es eigentlich geht, von oberflächlicheren Gefühlen verdeckt werden. So kann zum Beispiel hinter Schuldgefühlen tatsächlich ein Ohnmachtsgefühl stecken.
Möglicherweise bleiben wir in einem Gefühl hängen, weil wir einfach nicht wissen, um was für ein Gefühl es sich handelt oder weil wir nicht gelernt haben, durch welche Körperempfindung sich dieses Gefühl ausdrückt.
Letztendlich geht es in all diesen genannten Situationen um das Ziel der Selbstakzeptanz mit der Option, sich persönlich weiter entwickeln zu können, ohne sich verbiegen zu müssen.
Welches Maß an Gefühl ist „richtig“?
Tatsächlich gibt es das richtige Maß in Bezug auf Gefühle nicht. Einerseits hängt die Bewertung über das sog. richtige Maß von gesellschaftlichen, aber auch von persönlichen Kriterien ab. Zum anderen steht es auch im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie wir selbst Gefühle wahrnehmen und auch verarbeiten.
Ist es wirklich gut und richtig, seinen Gefühlen ganz ungehemmt freien Lauf zu lassen? Im günstigsten Fall wirkt der Ausdruck von unseren Gefühlen wie ein wichtiges Ventil, das uns befreien kann. Es kann auch Ausdruck unserer Authentizität sein.
Es kann aber auch sein, dass wir andere dadurch ungewollt verletzen und wir uns dann hinterher für den Gefühlsausbruch schämen. Dies kann ungünstige Folgen für unser Selbstwertgefühl haben, sofern dies öfter vorkommt.
Um sich diesem Thema anzunähern, kann es hilfreich sein, sich die folgenden Fragen zu stellen:
- In welchen Situationen wirst Du von Deinen Gefühlen überschwemmt?
- Auf welche Art und Weise könntest Du diese Gefühle auch anders ausdrücken?
- Oder meinst Du, es wäre gut, eher mehr Gefühle zuzulassen, da Du dies zu wenig tust?
- Falls ja, was hindert Dich daran, Deine Gefühle auszudrücken?
- Was sind die Folgen davon, dass Du Deine Gefühle zu stark ausdrückst oder aber zu wenig?
- Was wäre für Dich das richtige Maß?
Belastende Emotionen auflösen: hin und her pendeln
Eine recht einfache Maßnahme, um mit belastenden Gefühlen besser umzugehen, ist die Pendelübung, die ich von der Traumatherapeutin Luise Reddemann gelernt habe. Da es uns auf Dauer sehr schwächen kann, wenn wir in belastenden Gefühlen verharren, können wir unsere Aufmerksamkeit ganz bewusst auf hilfreiche Ressourcen lenken. So vermeiden wir es, in belastenden Gefühlen stecken zu bleiben.
Die Übung beginnt damit, dass Du Dir eine als angenehm erlebte Situation noch einmal ganz detailliert ins Gedächtnis rufst. Das kann zum Beispiel ein tolles Gespräch mit Deiner besten Freundin sein. Hole Dir die Freude darüber wieder in Deine Erinnerung zurück, dass Ihr beide auf der gleichen Wellenlänge seid. Die Momente der Nähe… Das Lachen… Das gemütliche Café, in dem Ihr gesessen habt… Vielleicht schien die Sonne durchs Fenster? Der Geschmack des leckeren Tees auf der Zunge…
Versuche Dir diese angenehme Situation mit all Deinen Sinnen wieder vor Deinem geistigen Auge vorzustellen. Welche positiven Gefühle tauchen bei Dir auf?
Switche nun in Gedanken zu einer belastenden Situation. Versuche anfangs, nicht eine allzu stark belastende Situation zu nehmen. Welche Gefühle kommen nun an die Oberfläche? Ärger, Wut, Traurigkeit oder Ohnmachtsgefühle?
Pendle anschließend zwischen diesen beiden Imaginationen hin und her. Nimm wahr, wie sich Deine Gefühle verändern, wenn Du von der angenehmen Situation in die belastende Situation übergehst. Um nicht in diesen belastenden Gefühlen zu verharren, ist es hilfreich, eine Balance zu schaffen, indem Du in Gedanken immer wieder auch in diese angenehme Situation zurückgehst. Dies kann Entlastung schaffen. Fokussiere Dich daher immer mal wieder auf Bilder, die Dich stärken und auf Lösungen anstatt auf Probleme. So kommst Du wieder in Bewegung, anstatt festzustecken.
Ist Verdrängung die Lösung?
Verdrängung ist ein wichtiger Abwehrmechanismus, der uns auch dabei helfen kann, mit stressauslösenden Situationen, aber auch mit Kränkungen oder Ängsten besser umzugehen. Bei Menschen, die sehr erschöpft sind, kann die Fähigkeit zur Verdrängung reduziert sein, da diese auch viel Kraft kostet. Gute Erfahrungen helfen uns, unsere Fähigkeit zum Verdrängen zu stärken, genauso wie schlechte Erfahrungen diese schwächen können.
Verdrängung hilft uns dabei, besser zu „funktionieren“, allerdings um den hohen Preis, dass wir uns sehr viel weniger spüren können. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, Erfahrungen überhaupt verdrängen zu können, ist das Gefühl von Sicherheit, aber auch die Fähigkeit, vertrauen zu können. Wir könnten nicht unsere Lebendigkeit spüren, wenn wir uns ständig um alles sorgen müssten.
Ein gewisses Spektrum an Emotionen drückt unsere Lebendigkeit aus. Belastende Erfahrungen können uns aber durch anhaltende Stressreaktionen in permanenten Untererregungs- oder Übererregungszuständen gefangen halten. Daher ist es wichtig, unsere Gefühle besser regulieren zu können.
Hilfreich kann es dafür sein, unsere ganz normalen Befindlichkeiten und Körperempfindungen in unserem Alltag wahrzunehmen. Dadurch bekommen wir auch schneller mit, wenn etwas aus dem Ruder gelaufen ist.
Um Erfahrungen überhaupt verarbeiten zu können, brauchen wir ein mittleres Erregungsniveau. In Zuständen von Über- bzw. Untererregung ist eine Verarbeitung nicht möglich. Bewegt man sich in diesem sog. Toleranzfenster, kann man lernen, die bewusste Wahrnehmung im Hier und Jetzt zu stärken und sich zu beruhigen. Eine verbesserte Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge können durch die Einbeziehung des Körpers erreicht werden.
Haben wir erst einmal wieder einen besseren Kontakt zu unseren Emotionenn herstellen können, können wir auch wieder besser verstehen, in welcher Situation wir uns befinden. Dann fällt es uns auch leichter, unsere Gefühle zu regulieren und über sie zu sprechen. Diese Fähigkeit zur Mentalisierung zeichnet einen stabilen und auch reifen Menschen aus.
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