Ich fange heute vielleicht ungewöhnlicherweise diesen Artikel mal mit einem Zitat an, das ich für ein klares Nein sehr passend finde:
Die Fähigkeit, das Wort Nein auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit!
Nicolas Chamfort
Das wusste der Dramatiker bereits im 18. Jahrhundert.
Wenn wir anfangen, vermehrt auch mal klar Nein zu sagen, kommt uns dies meistens nicht wirklich wie Freiheit vor. Ganz im Gegenteil: Uns quält das schlechte Gewissen, und wir machen uns Selbstvorwürfe. Wir sind häufig so daran gewöhnt, alles für andere zu tun und uns selbst aus dem Blick zu verlieren, dass die Schuldgefühle an uns nagen.
Doch ich möchte hier für eine andere Perspektive werben. Denn: Ein halbherziges Ja zu anderen, ist ein klares Nein gegenüber uns selbst.
Gründe für ein halbherziges Ja
Die Gründe dafür können tatsächlich vielfältig sein:
- Vielleicht haben wir Angst vor Ablehnung oder Zurückweisung.
- Oder wir wollen das Gegenüber nicht verletzen oder vor den Kopf stoßen.
- Wir befürchten, unsere Schuldgefühle würden uns „umbringen“.
- Wir sehen uns lieber als einen hilfsbereiten Menschen anstatt als einen, der Hilfe verweigert.
- Wir haben Angst vor Zurückweisung, weil wir in der Kindheit da bereits schlechte Erfahrungen mit gemacht haben.
- Wir befürchten, in einen Konflikt zu geraten und scheuen die Konfrontation.
- Wir haben den Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung, die uns durch ein Nein versagt werden könnte.
- Wir möchten nicht als egoistisch gelten.
- Es könnte auch die Angst davor sein, unseren gewohnten Pfad zu verlassen und ein alternatives Verhalten auszuprobieren, von dem wir noch nicht wissen, welche Konsequenzen das für uns hätte.
- Vielleicht wollen wir uns aber einfach nur beweisen, dass wir es schaffen können, diese Aufgabe zu erfüllen.
Was es auch immer ist, diese Gründe halten uns oft unbewusst davon ab, für uns einzustehen und ein klares Nein zu formulieren, wenn wir einer Bitte nicht nachkommen wollen.
Doch indem wir nicht Nein sagen, wenn wir es eigentlich wollten, verstoßen wir gegen unsere eigenen Werte und ent-werten uns damit selbst. Die ständigen Ja-Sager*innen werden nicht ernst genommen. Wer hingegen ein klares und selbstbewusstes Nein formuliert, erhöht eindeutig sein Ansehen und wird von anderen respektiert.
Jedes klare Nein enthält auch ein klares Ja
Wer Nein zu etwas sagt, sagt Ja zu etwas anderem, das ihm mehr bedeutet und attraktiver für ihn ist. Oder anders ausgedrückt: Wer weiß, was sie will, weiß auch, was sie nicht will.
Um dies zu verdeutlichen, schlage ich Dir ein kleines Gedankenexperiment vor.
Nehmen wir mal an, Du bist frisch verliebt. Es vergeht keine Minute, in der Du nicht an Deinen neuen Partner oder Deine neue Partnerin denkst. Du schwebst im 7. Himmel. Sicher kennst Du das Phänomen, dass man in solchen Phasen eine besondere Ausstrahlung hat, die andere leicht anzieht.
Nehmen wir nun einmal weiter an, dass Dich eine attraktive Frau oder ein attraktiver Mann auf einer Party ansprechen und Dich näher kennenlernen möchte. Wie hoch denkst Du, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du kopfüber in eine Liebesaffäre schlitterst? Die Wahrscheinlichkeit tendiert sicherlich gegen Null, oder?
Und warum? Weil Du ein klares Ja für Deine neue Partnerschaft empfindest und gar kein Interesse an einem Seitensprung hast. Ein Nein wird Dir in so einem Fall ganz leicht über die Lippen kommen, oder?
Je klarer dein Ja, desto klarer ist auch Dein Nein. Überlege Dir daher einmal, wofür Du brennst. Das schließt auch Deine Werte mit ein. Für wen Gerechtigkeit ein wichtiger Wert ist, wird Nein sagen zu jeder Form der Ungerechtigkeit.
Was sind Deine Werte, zu denen du uneingeschränkt Ja sagst? Und was sind die Situationen, zu denen du klar Ja sagst?
Vielleicht fallen Dir Situationen ein, in denen Du es bereits erfolgreich geschafft hast, Nein zu sagen? Dann versuche sie genau zu analysieren. Kannst Du daraus Deine ganz persönliche Strategie ableiten?
5 effektive Strategien zum Nein sagen
Ob es Dir gelingt, Dich abzugrenzen oder eben nicht, hängt von Deiner mentalen Stärke ab. Dazu gehört auch, Deine Emotionen sinnvoll lenken zu können, anstatt sich ihnen ausgeliefert zu fühlen. Daher solltest Du Dir die Frage stellen, wie selbstbewusst Du (schon) bist.
Folgende Strategien helfen Dir dabei, Nein zu sagen, wenn Du Nein sagen möchtest, Dich aber (noch nicht) dazu durchringen konntest:
- Mache Dir die positiven Konsequenzen bewusst!
Meistens ist es so, dass wir uns die größten Katastrophen vorstellen, die auf ein Nein folgen könnten. Statt Dich in diese negative Selbst-Hypnose hineinzusteigern, schlage ich Dir vor, den Spieß einfach mal umzudrehen:
Stell Dir vor, was Du Tolles erleben wirst, weil Du Nein gesagt hast. Wenn Du Deiner Chefin sagst, dass Du die Überstunden heute nicht machen kannst, kannst Du Dir vorstellen, wie Du stattdessen einen tollen Kinoabend mit einer Freundin verbringst und Dich dabei total entspannen kannst.
2. Bleibe in Deiner Rolle!
Sehr häufig hat die Unfähigkeit, Nein zu sagen mit einem Rollenkonflikt zu tun. Es kann sein, dass sich Privates mit Beruflichen vermischt. Vielleicht fragt Dich ein Kollege, mit dem Du auch befreundet bist, ob Du ihm die Beratungsstunden mit einer Klientin abnehmen könntest, da er noch so viele Berichte schreiben muss.
3. Mache das Problem nicht zu Deinem eigenen!
Sich in andere hineinfühlen zu können, ist eine tolle Fähigkeit. Allerdings ist sie beim Nein sagen üben eher hinderlich. Denn dadurch verlierst Du Deine eigenen Bedürfnisse aus dem Blick und kümmerst Dich eher um die Erfüllung der Interessen deines Gegenübers.
Wenn Deine Kollegin zu viel Arbeit hat, die sie nicht bewältigen kann, hilft es ihr langfristig nicht weiter, wenn Du sie entlastest, indem Du ihr die Arbeit abnimmst. Vielmehr wäre es Aufgabe der Leitung dafür zu sorgen, dass das Arbeitspensum der zeitlichen Kapazität angemessen verteilt ist. Mache dies daher nicht zu Deinem Problem!
4. Mache den Katastrophen-Fantasien ein Ende!
Eigentlich haben wir nicht unbedingt Angst davor, Nein zu sagen. Vielmehr malen wir uns die Konsequenzen eines Neins in den düstersten Farben aus und halten dies für Realität. Kein Wunder, dass wir uns nicht trauen, Nein zu sagen!
Überlege Dir stattdessen, wie wahrscheinlich Deine Katastrophenfantasie ist. Denke darüber nach, welche wahrscheinlicheren Folgen Dein Nein haben könnte.
Mach Dir außerdem klar, dass ein ehrliches Nein sowohl Dir als auch Deinem Gegenüber mehr dient als ein geheucheltes Ja. Menschen, denen Du wichtig ist, werden Dein Nein akzeptieren, selbst wenn es ihnen nicht in den Kram passen sollte. Und ganz ehrlich: Diejenigen, die Dein Nein bekämpfen, um ihre eigenen Interessen rücksichtslos durchzusetzen, brauchst Du nicht in Deinem Leben, oder?
5. Akzeptiere Deine begrenzten Kräfte
Das moderne Leben mit seiner ständigen Erreichbarkeit fordert uns so einiges ab. Multitasking ist in aller Munde. Statt Dich unbegrenzt mit allen möglichen Aufgaben zu beladen und letztendlich in einem Burnout zu landen, mach dir bewusst, dass auch Deine Kräfte – wie die aller anderen Menschen auch – begrenzt sind und daher sinnvoll eingesetzt werden sollten. Du bist nicht für alles und jede*n zuständig!
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